Kinderwunsch Unplugged: Zwei Kinder nach vielen künstlichen Befruchtungen
In der Reihe Kinderwunsch Unplugged führt Wegweiser Kinderwunsch Interviews mit Frauen und Männern, die sich sehnlichst ein Kind wünschen oder die lange keine Kinder bekommen konnten. Hier sprechen Betroffene über Themen, die normalerweise selten zur Sprache kommen und oft tabu sind. Du bist auf deinem Kinderwunsch-Weg mit allen seinen Sorgen, Ängsten und Nöten nicht alleine.
Heute im Interview:
Lucie Bach, Roman-Autorin (Zahlreiche IVFs und Kryos, zweifache Mutter)
Es freut mich heute mit der Buchautorin Lucie Bach zu sprechen. Sie hat einen langen Kinderwunsch-Weg hinter sich. Dazu zählen zahlreiche ICIS und Kryos sowie eine Fehlgeburt.
Über den Weg bis zur Schwangerschaft und die Schwierigkeiten bei der Kinderwunsch-Behandlung spricht sie offen in diesem Interview.
Wegweiser Kinderwunsch:
Wer bist Du? Erzähle uns ein wenig über dich selbst.
Lucie:
Im Februar dieses Jahres wurde mein Roman „Triplo X: Ein Kinderwunschroman“* vom Verlag Schwarzkopf und Schwarzkopf unter meinem Pseudonym Lucie Bach veröffentlicht und vor zwei Wochen habe ich dank der Reproduktionsmedizin mein zweites Kind zur Welt gebracht.
Wenn jeder wüsste, dass ich einen Roman über die Reproduktionsmedizin geschrieben habe, hätten meine Kinder den Stempel „künstlich befruchtet“ auf ihrer Stirn, was in unserer sensationsgeilen und gleichzeitig noch wenig aufgeklärten Gesellschaft belastend für sie sein könnte.
Deshalb möchte ich meinen richtigen Namen nicht veröffentlichen, aber ich verrate gern, dass ich 39 Jahre alt bin, als Lehrerin an einem Gymnasium unterrichte und mit meiner Familie in einem Haus am Rande von Hamburg lebe.
Wegweiser Kinderwunsch:
Was hast Du auf Deinem Kinderwunsch-Weg alles erlebt?
Lucie:
Mein Mann produziert nur wenige Spermazellen, die planlos wie Entenküken ohne Mama durch die Gegend schwimmen. Aber selbst, wenn sie die Eizelle fänden, könnten sie nicht in sie eindringen, weil ihre Köpfe völlig verformt sind — wahrscheinlich die Folge einer Mumpserkrankung in der Jugend meines Mannes. Mit dem Versuch, Kinder zu bekommen, legten wir ziemlich spät los, zwar wollten wir welche, aber vorher sollte noch dieser Job her und jene Verbeamtung.
Außerdem war sich mein Mann sicher, dass es beim ersten Schuss klappen würde. Es klappte aber nicht beim ersten Schuss und auch nicht beim Hundertsten. Schließlich überredete ich ihn zu einem Spermiogramm und ihm wurde mitgeteilt, dass er „auf natürlichem Weg zeugungsunfähig“ sei.
Mein Mann vermutete zunächst einen Laborfehler, dann fand er 93 Prozent Kopfdefekte gar nicht so schlecht. Die anderen 7 Prozent könnten ja die Eizelle befruchten und überhaupt brauche es dafür nur ein einziges Spermium. Leider war das ein Irrglaube, weil ungefähr Hunderttausend gut bewegliche Spermien vorher die Eizellhülle bearbeiten müssen.
Nach dem zweiten Spermiogramm und viel Aufbauarbeit an seinem Ego konnte ich ihn schließlich in eine Kinderwunschpraxis schleppen.
Ich wurde beim ersten künstlichen Befruchtungsversuch, einer ICSI, gleich schwanger, hatte aber eine Fehlgeburt und anschließend zwei Ausscharbungen, weil die Blutungen auch nach Monaten nicht aufhörten.
Danach baute sich meine Gebärmutterschleimhaut nicht mehr auf. Beim ersten Versuch waren acht weitere Embryonen eingefroren worden, die mir unsere völlig überlastete Kinderwunschpraxis nun nacheinander einsetzte. Zwar kann sich in keine Gebärmutterschleimhaut kein Embryo einnisten, aber deren Kasse klingelte ja trotzdem.
Durch die Östrogene, die meinen Körper auf die Embryonentransfers vorbereiteten, verlor ich über die Hälfte meiner Haare, ein Embryo verschwand im Praxisbetrieb und es war ungewiss, ob ich je wieder schwanger werden könnte. Psychisch war ich am Ende, auch wenn ich nach außen weiter funktionierte.
Wir wechselten dann die Praxis und landeten im universitären Kinderwunschzentrum Lübeck. Mit der doppelten Dosis Estrogen-Pflaster und einem von mir selbst entwickelten Protokoll baute sich meine Schleimhaut nun besser auf. Zu diesem Protokoll zählt vor allem L‑Arginin (6 Gramm! täglich), Vitamin E (600 mg täglich), und Ginko (120 mg täglich), alles also in sehr hohen Dosen.
Diese Nahrungsergänzungsmittel fördern die Durchblutung und dadurch den Gebärmutterschleimhautaufbau ohne starke Nebenwirkungen. Ich wurde schwanger und wir bekamen ein gesundes Kind. Interessanterweise ging es mir am Anfang dieser Schwangerschaft seelisch noch schlechter als vorher, sicher auch wegen der Hormone und Ängste um die Schwangerschaft, aber vor allem, weil ich vorher viel durchgestanden hatte, ohne einmal innezuhalten.
Die Kinderwunschkliniken waren in den letzten Jahren unser Wohnzimmer geworden und die Mädels aus den Foren hatten meine Freundinnen ersetzt. Nun war mein erstes großes Ziel erreicht, aber ich fühlte mich traurig und isoliert.
Es dauerte einige Zeit, eigentlich fast ein Jahr nach der Geburt unseres Frühchensohnes, bis ich mein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Bis zum zweiten Kind, mit dem ich jetzt schwanger bin, brauchte es wieder einige Versuche, Tränen und Haare, aber nun ist es geschafft.
Bei beiden Kindern war unser Weg zum Glück das Vitrifizieren der Embryonen, weil die Schleimhaut in den Frischversuchen miserabel war. In den Kryoversuchen wurden Blastozystenkulturen angelegt und pro Versuch nur eine Blastozyste eingesetzt. So hatten wir eine hohe Schwangerschaftschance bei einer niedrigen Mehrlingswahrscheinlichkeit, denn Mehrlinge bergen während der Schwangerschaft erhöhte Risiken, auch dafür, die Kinder zu verlieren.
Wegweiser Kinderwunsch:
Was hat dich dazu bewegt, deine Erfahrungen als Buch zu veröffentlichen?
Warum hast du über eine Eizellspende geschrieben? Wäre dies für dich eine Alternative gewesen, wenn es mit ICSI bzw. Kryo nicht geklappt hätte. Wie weit wärst du für ein Kind gegangen?
Lucie:
„Triplo X“ ist ein Roman, ich verarbeite darin zwar meine eigenen Erfahrungen, aber vieles ist auch meiner Fantasie entsprungen. Dadurch konnte ich freier schreiben.
Wenn die künstliche Befruchtung mit unseren eigenen Zellen nicht erfolgreich gewesen wäre, hätten wir wahrscheinlich auf eine Samen- oder Eizellspende zurückgegriffen. Mich irritierte, dass die Samenzelle hierzulange legal, die Eizellspende aber verboten ist. Mein Roman handelt unter anderem von den Schwierigkeiten während der Zeit der Kinderwunschbehandlung.
Jenen Frauen, die auf eine Eizellspende angewiesen sind, bereitet das Verbot der Eizellspende noch zusätzliche Probleme, darauf möchte ich mit meinem Roman aufmerksam machen. In meinen Augen gibt es keine überzeugenden Argumente, die Eizellspende im Gegensatz zur Samenspende in der Illegalität zu belassen.
Derzeit werden die auf eine Eizellspende angewiesenen Frauen ins Ausland gedrängt, wo die Spendebedingungen teilweise kaum kontrolliert werden. Schlimmer noch, obwohl unser Land mehr Kinder braucht, gilt diese Art der Familiengründung hierzulande als tabuisiertes Verbrechen, was neben den Familienkassen auch die entstehenden Kinder belastet.
Die Reproduktionsmedizin sollte da begrenzt werden, wo Menschen ein bestimmtes Kind planen. In den USA ist die Geschlechterselektion bei der künstlichen Befruchtung zum Beispiel Gang und Gebe und Erbgutspender bekommen dort umso mehr Geld, je renommierter ihre Uni ist. Jeder, der sich ein Kind wünscht, sollte meiner Ansicht nach die Chance dazu bekommen, auch mit einer Embryonenadoption, aber Kinder sollten weiterhin Geschenke bleiben: Du weißt nicht, was du bekommst, aber du nimmst es freudig entgegen, noch bevor du es ausgepackt hast.
Nur mit dieser Einstellung begleiten Eltern ihr Kind in seiner Selbstwerdung, statt zu versuchen, es nach den eigenen Wünschen zu prägen. Um entstehende Kinder davor zu schützen, dass ihr Erbgut nach den Vorstellungen ihrer sozialen Eltern zusammengestellt wird, sollte eine Erbgutspende so anonym wie möglich ablaufen. Nur Augenfarbe, Haarfarbe, Größe und vielleicht noch der Bildungsstand der Spender sollten bekannt sein, damit nicht jeder ahnt, dass es nicht das genetisch eigene Kind ist. Die Kinder selbst sollten später aber unbedingt die Möglichkeit haben, zu erfahren, von wem sie abstammen, um sie in ihrer Identitätsfindung nicht zu behindern.
Wegweiser Kinderwunsch:
Was waren für dich die größten Herausforderungen und Probleme in Bezug auf den unerfüllten Kinderwunsch?
Lucie:
Wir hatten ein Kostenproblem:
Als Beamtin muss ich mich privat krankenversichern, wenn ich den Arbeitgeberanteil nicht selber zahlen möchte. Die privaten Kassen bezuschussen die Kinderwunschbehandlung aber nur, wenn der Versicherte, also ich, Verursacher der Kinderlosigkeit ist.
Das war bei uns ja nicht der Fall und so zahlte nur die gesetzliche Kasse die Kosten für die Behandlung meines Mannes, also eher nichts. Während andere sich also beschwerten, dass ihre Krankenkasse nur die Hälfte übernimmt, mussten wir alles selbst bezahlen.
Außerdem gab es neben sehr einfühlsamen auch unsensible Reaktionen von Freunden, zum Beispiel, dass man nicht eingreifen solle in den Lauf der Natur, denn wer Kinder bekommen soll, bekomme auch welche. Meine Protagonistin Marta denkt dazu übrigens: „Dann lasst sie laufen, eure geliebte Natur und krepiert an euren Herzinfarkten, Schlaganfällen, Krebsgeschwüren.“
Wegweiser Kinderwunsch:
Gab es für dich einen persönlichen Tiefpunkt und wie hast du ihn überwunden?
Lucie:
Ja, mein Tiefpunkt war, als meine Schleimhaut sich nach der Fehlgeburt nicht mehr aufbaute. Wäre das so geblieben, hätten wir ein eigenes Kind nur über eine Leihmutterschaft realisieren können, was für uns keine Option war und für eine Adoption waren wir schon zu alt.
Überwinden konnte ich meinen Tiefpunkt, indem ich mich intensiv damit beschäftigt habe, wie sich die Schleimhaut wieder aufbauen lässt. Ich habe dann mein eigenes Protokoll entwickelt, dass sich bei mir und einigen anderen Frauen tatsächlich als sehr wirksam erwies.
Wegweiser Kinderwunsch:
Was gab dir sonst noch Kraft und Mut auf deinem Weg?
Lucie:
In einem Kinderwunschforum habe ich eine sehr liebe Leidensgenossin und Freundin gefunden, sie hat mir sehr geholfen, ansonsten bin ich ein Augen-zu-und-durch-Mensch, es war für mich einfacher, die Behandlungen schnell hintereinander zu machen, also nach jedem Tiefschlag schon wieder einen neuen Plan zu haben, der mir Hoffnung gab.
Wegweiser Kinderwunsch:
Wie offen bist Du mit dem unerfüllten Kinderwunsch umgegangen?
Lucie:
Freunde und Familienmitglieder wussten Bescheid, meinen Arbeitgeber habe ich wegen meiner häufigen Fehlzeiten auch aufgeklärt.
Wegweiser Kinderwunsch:
Wurdest Du in Bezug auf den Kinderwunsch mit unsensiblen Fragen oder gut gemeinten Ratschlägen konfrontiert? Kannst Du uns ein Beispiel nennen und erzählen, wie du damit umgegangen bist.
Lucie:
Ja, zum Beispiel, warum ich Kinder unbedingt erzwingen wolle oder ob ich denn wisse, dass man nur schwanger werde, wenn man gar nicht damit rechne.
Wegweiser Kinderwunsch:
Möchtest Du den Lesern sonst noch etwas mit auf den Weg geben?
Lucie:
Sie sollten nicht lange mit ihrem Frauenarzt herumdoktoren, sondern in eine Kinderwunschklinik gehen, um keine Zeit zu verlieren. Dort sitzen Experten, die eine künstliche Befruchtung nur dann anbieten, wenn weniger invasive Methoden kaum Chancen eröffnen.
Die Paare sollten sich rasch in die Materie einarbeiten und als aufgeklärte selbstbewusste Patienten auftreten, denn es müssen viele Entscheidungen getroffen werden und es gibt qualitative Unterschiede zwischen den Kliniken, außerdem bedenken die Ärzte nicht immer alles von selbst.
Spätestens nach einigen negativen Versuchen sollten sie auf eine weitergehende Diagnostik bestehen und einen Transfer mit fünf- statt dreitägigen Embryonen in Erwägung ziehen, auch um festzustellen, ob die Embryonen den wichtigen Entwicklungsschritt zu Blastozysten schaffen.
Jeden vor sich selbst ethisch vertretbaren Weg sollten sie nacheinander zügig verfolgen, also eventuell auch eine Eizell- oder Embryonenadoption sowie eine Pflegschaft oder Adoption in Erwägung ziehen. Es kann eine schwere Zeit sein, aber das, was wir verpasst hätten, wenn ich meinen Mann nicht rasch weiter gedrängt hätte, konnten wir vorher, also ohne Kind, nicht ermessen:
Diese Liebe, die wir zu unseren Kindern entwickelt haben, die Freude im Zusammenleben als Familie und die Sinnhaftigkeit, die wir dabei verspüren, ist mit nichts zu vergleichen, das wir vorher kannten.
Wegweiser Kinderwunsch:
Vielen Dank Lucie für deine offenen Worte! Es macht Mut zu sehen, dass der Weg zum Wunschkind zwar sehr langwierig und aufreibend sein kann, aber am Ende oft auch belohnt wird. Alles Gute für dich und deine Familie!
Wie immer kannst du als Leser diesen Beitrag unten kommentieren. Auch Lucie wird sich darüber freuen.
Das Buch von Lucie könnt ihr unter anderem über Amazon bestellen:
Ich bin Claudia. Kinderwunsch-Bloggerin mit über 10 Jahren eigener Kinderwunsch-Erfahrung: Endometriose-Fighterin, IVF-Kennerin, ICSI-Schwester, Pimp my Eggs Befürworterin und Initiatorin der Kinderwunsch-Bewegung #1von7
Ich wurde leider wegen meines Alters von 42 in allen mir in der Nähe deutschen Kinderwunschkliniken abgelehnt. Man fühlt sich total alleingelassen, besonders wenn man dann sagt ich lasse mir im Ausland helfen. Sehr stockiges und konservatives Land. Ich hatte jetzt am Montag meinen Blastozystentransfer(meine erste IVF, da ich vorher keinen Partner hatte) in Griechenland, auch wegen den Kosten. Bringt zu dem Zeitpunkt noch zusätzlich L‑Arginin etwas? Ich muss so noch Medikamente nehmen und mich spritzen und ich hoffe so sehr das alles gut geht.
Nach dem Transfer würde ich jetzt nicht mehr damit starten. Wenn du eine Blastozyste bekommen hast, hört sich das doch ganz gut an. Ich wünsche dir ganz viel Glück und drücke die Daumen.
Hallo, ich habe eine Frage zum Protokoll zur Verbesserung der Schleimhaut (L‑Arginin (6 Gramm täglich), Vitamin E (600 mg täglich) und Ginko (120 mg täglich)): Welche Präparate hast Du genau genommen? Hast Du die Präparate vom 1. Zyklustag bis zum Schwangerschaftstest genommen oder nur bis zum Transfer oder bis zur Punktion? Vielen Dank!!!
Ich werde für dich nochmal genauer nachfragen.
Liebe Grüße Claudia
Das hier geht auf jeden Fall in eine ähnliche Richtung und hat sich ebenfalls bei vielen Frauen als erfolgreich erwiesen: https://www.wegweiser-kinderwunsch.de/geheimrezept-fuer-bessere-eizellen/
Bei Lucie waren es folgende Nahrungsergänzungsmittel:
Vitamin E: 2x Optovit fortissimum 500
L‑Arginin: 5x Scitec Nutrition — Mega Arginine
Ginko: 3x Gingium 40 mg
Alles über den Tag verteilt in mehreren Einzeldosen bis zum Schwangerschaftstest
Liebe Claudia, vielen Dank für Deine schnelle Rückmeldung. Viele Grüße