Niedriger AMH-Wert (Anti-Müller-Hormon) — trotzdem schwanger werden ?
Ein niedriger AMH-Wert bereitet vielen Frauen Sorgen, die schwanger werden möchten. Denn der AMH Wert ist ein Anhaltspunkt für die Fruchtbarkeit der Frau und die Eizellreserve. Aber was genau bedeutet ein niedriger AMH Wert für Frauen die schwanger werden möchten?
Ein Gastbeitrag von Fruchtbarkeitsmentorin Iris Benedens
Basiswissen zum AMH-Wert
Was ist der AMH Wert?
Dieses im Blut gemessene Hormon soll Aufschluss darüber geben, wie viele Eizellen eine geschlechtsreife Frau produziert und stellt damit einen Indikator für den Stand der Eizellreserve (Ovarielle Reserve). in den Eierstöcken dar.
Das Anti Müller Hormon (AMH) wird von den Eierstöcken bzw. den Granulosazellen produziert, die die heranwachsenden stimulierbaren Eibläschen (Follikel), aus denen eine Eizelle entsteht, umgeben.
Ist im Blut viel AMH vorhanden, ist die Menge heranwachsender stimulierbarer Eibläschen hoch. Je weniger Follikel vorhanden sind, desto niedriger der AMH Wert. So lässt sich auch erklären, warum bei Frauen mit PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom) das AMH sehr hoch ist, weil es eben viele Follikel gibt, die stimuliert werden.
Normwerte des Anti-Müller-Hormons
Bei Frauen zwischen 18 und 30 Jahren befinden sich in einem Milliliter Blut zwischen 1–5 Nanogramm Anti-Müller-Hormon, manchmal ist der Wert auch etwas höher. Die 0varielle Reserve ist also dementsprechend meistens noch hoch.
AMH Wert Tabelle / Anti-Müller-Hormon Werte
Frauen | AMH Wert | Einheit |
---|---|---|
Normale Fertilität | 1 — 5 | ng/ml |
Ovarielle Restfunktion | 0,8 — 1,0 | ng/ml |
Menopause | kleiner als 0,1 | ng/ml |
Polyzystisches Ovarialsyndrom | 5,0 — 15,0 | ng/ml |
5 Fakten zum Anti-Müller-Hormon (AMH) Wert
1. Der AMH Wert unterliegt Schwankungen
Lange dachte man, dass es keine Rolle spielt zu welchem Zeitpunkt im Zyklus das AMH getestet wird. Doch neuere und umfangreichere Studien zeigen, dass der Wert vor allem bei jungen Frauen durchaus zyklusabhängig schwankt und es zu einem AMH Abfall von durchschnittlich ca. 20 % nach dem Eisprung kommt. Die individuellen Schwankungen sind umso geringer, je niedriger die mittlere AMH Konzentration liegt. Das bedeutet: Je älter eine Frau ist, desto geringer sind die AMH Änderungen.
Daher ist eine Bestimmung des AMH Werts vor allem zum Zyklusbeginn zu empfehlen. Das gilt vor allem für Frauen, denen gesagt wurde, dass ihr AMH im normalen bis niedrigen Bereich liegt und später im Zyklus getestet wurden. Hier macht es durchaus Sinn, noch einmal zum dritten oder vierten Zyklustag zu testen.
Auch lässt eine hormonelle Verhütung, je länger sie angewandt wird, den Wert offenbar deutlich (um bis zu 30%) sinken. Um eine aussagekräftige Einschätzung des AMH zu erhalten, sollte die Messung in diesem Fall erst nach 2 bis 3 einnahmefreien Zyklen erfolgen.
2. Der AMH Wert lässt keine direkte Vorhersage auf die Menopause zu
Im Alter nimmt die Serumkonzentration des AMH zwar ab, da die Anzahl an Keimzellen im Laufe des Lebens einer Frau kontinuierlich abnimmt — einen direkten Zusammenhang mit dem biologischen Alter gibt es dabei jedoch nicht. Vielmehr ist es ein Hinweis auf das ovarielle Alter, denn die Eizellenreserve nimmt von Frau zu Frau individuell unterschiedlich schnell ab.
Eine Vorhersage, wann bei dir die Menopause eintritt, lässt sich aus dem niedrigen AMH Wert nicht sicher ableiten. So ist es beispielsweise durchaus möglich, dass du auch noch 5 Jahre nach dem Abfall des Anti-Müller-Hormon Wertes unter die laborchemische Nachweisgrenze noch regelmäßige Zyklen mit Eisprung hast.
3. Niedriger AMH-Wert — trotzdem schwanger werden ist möglich
Ein niedriger AMH Wert kann darauf hinweisen, dass die Eizellreserve zur Neige geht. Doch der Wert allein reicht nicht aus, um damit auch die Chancen auf eine Schwangerschaft vorherzusagen. Auf Basis der bisheriger Daten besteht also kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der AMH-Konzentration und der Fertilität. Dies konnte durch eine dänische Studie bestätigt werden.
Anhand des AMH lässt sich jedoch der Erfolg einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) abschätzen und eine hormonelle Stimulationstherapie individueller dosieren.
Ist das Anti-Müller-Hormon zu niedrig (<1,0 ng/ml), sind bei der IVF höhere Hormondosen (FSH, Gondotropin) nötig, um ausreichend Eizellen zu erhalten. Auch eine mögliche ovarielle Überreaktion nach der Stimulation ist mit Hilfe des AMH Werts einigermaßen gut vermeidbar.
4. Ein niedriger AMH-Wert sagt nichts über die Eizellqualität
Häufig wird angenommen, dass ein niedriger AMH Wert eine niedrige Eizellqualität bedeutet. Wenn das Anti-Müller-Hormon zu niedrig ist, erlaubt dies keine Aussage über die Qualität deiner Eizellen, sondern nur über die Anzahl heranwachsender stimulierbarer Follikel. Niemand weiß genau, wie viele Eizellen du tatsächlich noch hast.
Vielleicht ist deine ovarielle Reserve höher, als dein AMH angibt, nur deine Eierstöcke “rekrutieren” sie nicht. Aber selbst wenn du nicht mehr so viele übrig hast, geht es meiner Meinung nach vor allem darum, wie gut sich die noch vorhandenen Follikel entwickeln und welche Qualität sie haben.
Du solltest dich also auf die Funktionsfähigkeit deiner Eierstöcke konzentrieren sowie auf dein Hormongleichgewicht und die Qualität deiner Eizellen. Darüber hinaus gibt es durchaus Faktoren, die den AMH Wert schwanken lassen.
So hilfreich der AMH Wert für Reproduktionsmediziner sein mag, so verunsichert ein niedriger AMH Wert leider auch allzu oft Frauen, im Hinblick auf die Chancen einer Schwangerschaft als auch im Hinblick auf den Eintritt ihrer Wechseljahre.
5. Ein niedriger AMH-Wert lässt sich verbessern
In der Reproduktionsmedizin dient der AMH Wert vor allem der Vorhersage der Reaktion der Eierstöcke auf Hormongaben. Bei einem AMH Wert von < 1,0 ng/ml oder > 5,0 ng/ml, ist die Vorhersage der Reaktion der Eierstöcke auf Hormongaben weniger gut möglich.
Vermutlich hat dir dein Arzt auch versichert, dass du einen niedrigen AMH Wert nicht beeinflussen kannst. Und gemäß der Definition des Anti-Müller-Hormons mag das auch logisch erscheinen. Denn ja, im Laufe des Lebens einer Frau nimmt natürlich ihre Ovarialreserve ab.
Auch wird vermutet, dass die Einnahme von DHEA (Dehydroepiandrosteron), einem Steroidhormon, die Geburtenrate bei Frauen mit schlechtem AMH Wert verbessert. Bislang existieren hierzu aber wenig Daten. DHEA ist außerdem in Deutschland verschreibungspflichtig.
Quellenangaben / Weiterführende Literatur
- (1) van Disseldorp J, Faddy MJ, Themmen AP, de Jong FH, Peeters PH, van der Schouw YT, Broekmans FJ.: Relationship of serum antimüllerian hormone concen- tration to age at menopause. J Clin Endocrinol Metab. 2008; 93: 2129–34.
- Dietrich, K. et al.: Reproduktionsmedizin. Springer-Verlag, 2. Auflage, 2020
- Gnoth, C.: “Das Anti-Müller-Hormon. Ein Blick auf die biologische Uhr?” in: Gynäkologische Endokrinologie 9, 238–246 (2011)
- IMD Institut für Medizinische Diagnostik Berlin-Potsdam GbR: “Anti-Müller-Hormon (AMH)
- Medizinisches Versorgungszentrum Dortmund: “Anti-Müller-Hormon (AMH)
- Nawroth, F. et al.: “Bewertung von ovarieller Reserve und Fertilität mit steigendem Lebensalter” in: J Reproduktionsmed Endokrinol 2014; 11 (1), 6–11
Ich bin Claudia. Kinderwunsch-Bloggerin mit über 10 Jahren eigener Kinderwunsch-Erfahrung: Endometriose-Fighterin, IVF-Kennerin, ICSI-Schwester, Pimp my Eggs Befürworterin und Initiatorin der Kinderwunsch-Bewegung #1von7